Ich bin Aktmodell

Aktmodell sein: Was macht dieses Thema eigentlich so sensibel, obwohl es hier nur um die natürlichste Sache der Welt geht: den unbekleideten, menschlichen Körper? Wir alle sagen hin und wieder auch „nackt“ dazu.  Warum trauen sich so wenige, sich einfach mal in ihrer Reinform ablichten zu lassen? Vielleicht, weil viele noch nie ein wirklich ästhetisches Aktportrait gesehen haben oder ihnen dabei nur Erotik-Magazine mit gewissen Absichten in den Sinn kommen. Und dann sind da noch Menschen wie ich, die manchmal so „freizügig“ vor der Kamera posieren. Wie ist das eigentlich für mich?*

Bevor ich für Aktaufnahmen zusage, stehen ein paar Überlegungen an erster Stelle. Sehe ich eine Ästhetik im Portfolio des Fotografen? Erfolgt die Kommunikation mit Sympathie und völlig reibungslos oder muss ich meinem Gegenüber alles aus der Nase ziehen? Würde ich mich irgendwann für diese Bilder ein wenig schämen, wenn sie nicht mehr der Qualität meiner Sedcard entsprechen? Das Internet vergisst schließlich nicht so schnell. Und zu guter Letzt: Passt der Stil überhaupt zu mir und meinem Portfolio? – Denn ich liebe natürliche, ehrliche Aktaufnahmen, die teilweise sogar Nacktheit perfekt integrieren können, sodass sie schon fast in den Hintergrund gerät. Ohne überzogene Erotik. 

Aktfotografie ist vielmehr ein Gefühl

Selbstverständlich ist diese Natürlichkeit auch irgendwie erotisch. Schließlich stehen hier sowohl Äußerlichkeiten, als auch die Persönlichkeit in Reinform im Vordergrund. Es gibt keine Kleidung, die ablenkt. Nur den Menschen, mit Charakter, Ehrlichkeit und Selbstbewusstsein. Dadurch äußert sich jedoch eine ganz besondere Form der Erotik. Aktfotografie ist für mich vielmehr ein Gefühl, das aus Empathie und Vertrauen entsteht.

Das Gefühl, sich vor einem „Fremden“ auszuziehen

Zugegeben, diese Momente sind anfangs immer etwas speziell. Vielleicht ist es ein flüchtiger Augenblick der Schutzlosigkeit, den ich spüre, aber exakt beschreiben kann ich es nicht. Falls kein Badezimmer zum Umkleiden in der Nähe ist und die Fotos im Wald entstehen, drehen sich die Fotografen immer weg und tüdeln sowieso bereits an ihrer Kamera herum oder quatschen mit mir. Ich schätze diese „letzten“ Momente der Privatsphäre sehr. Dass zwischenzeitlich miteinander gesprochen wird, ist sowieso ein absolutes Muss, weil sich beide Parteien dadurch viel wohler fühlen.

Familie und Freunde

Ob meine Familie davon weiß? Nicht wirklich. Ich finde tatsächlich auch keine Gründe, ihnen davon zu erzählen. Ich bin sehr froh darüber, einen sehr offenen Freundeskreis zu haben, der alles positiv verfolgt und mich auch nicht für die Fotos mit weniger oder gar keinen Klamotten verurteilt. Selbst bei anfangs flüchtigen Bekanntschaften haben sich dadurch schon sehr offene Gespräche entwickelt, in denen es häufig um das Selbstbewusstsein ging. Und mein Freund? Er unterstützt und wertschätzt dieses Hobby. Dieses Vertrauen gibt mir unwahrscheinlich viel Rückhalt und Mut, weiterzumachen. Die Fotografen, die schon Bilder wegen eifersüchtiger Freunde löschen mussten, verstehen sicher, wovon ich rede.

Ein paar Ratschläge von Model zu Model…

Körperspannung und -haltung
Ohne Körperspannung ist ein Bild wie im Titel oben gar nicht möglich. Der Rücken wird zum Hohlkreuz durchgedrückt, der Rumpf angespannt, die Füße durchgestreckt und die Arme und Beine müssen zugunsten des Motivs ausgerichtet werden. In dieser Spannung müssen viele Posen oft über mehrere Minuten lang gehalten oder leicht verändert werden. Dadurch wird das Bild wesentlich lebendiger.

Bequeme Kleidung
Trage bequeme Kleidung, damit sich keine Druckstellen abzeichnen. Wenn du auf dem Weg zum Shooting ungern auf deinen BH verzichten möchtest, kannst du ihn kurz vor den Aufnahmen lösen, damit sich deine Haut wieder entspannt.

Kommunikation
Sei offen und trau dich, darüber zu sprechen, wenn du eine Pause brauchst oder dich unwohl fühlst. Das kann sowohl die Gesamtsituation, als auch eine unangenehme Pose sein.

Model-Release
Mit einem TfP-Vertrag gibst du dem Fotografen dein Einverständnis, dass er die Bilder zu Werbezwecken online stellen darf. Überlege dir vorher bitte genau, mit wem du Aktaufnahmen machst (Qualität und Ästhetik!) und ob sie dich in irgendeiner Form beeinflussen könnten. Beruflich ist es deine Privatsache, sobald es jedoch um Jobs mit Kindern geht, ist das leider oft eine andere Realität. Andernfalls solltest du vielleicht lieber den Fotografen bezahlen, damit du die Bilder ausschließlich privat nutzen kannst. Dieser Vertrag untersagt überlicherweise auch eine Nutzung auf pornografischen Webseiten.

Das Lied vom Selbstbewusstsein und dem eigenen Körpergefühl
Eine Never-Ending-Story. Und doch so wichtig. Ich weiß, es fällt nicht leicht, sich immer gut und schön zu fühlen. Bei mir ist das manchmal auch ein mehr oder weniger zufriedener Zustand und leider wird eine tief verwurzelte Unzufriedenheit nicht in jedem Fall durch das Model-Dasein verbessert. Das anfänglich gepushte Selbstbewusstsein kann irgendwann leichte Risse bekommen und all diese Einflüsse der vermeintlichen Perfektion und Vergleiche mit anderen erdrücken dich. Lass es nicht dazu kommen. Versuche, eine gesunde Haltung zu deinem Körper zu bekommen, sei ehrlich zu dir selbst und erkenne, was dich und deinen Körper ausmacht. Ich erfuhr dies nach den ersten Aktaufnahmen. Du musst deinen Körper nicht perfekt finden, aber wenn du ihn verstehst, läuft das Shooting schon fast von selbst.

… und für die Fotografen natürlich auch. 🙂

Kommt ihr miteinander aus?
Um das Eis zu brechen, kann ein Portraitshooting sehr hilfreich sein. Einige Modelle sehen solche Shootings auch als Voraussetzung vor einem Aktshooting. Portrait-Sessions kurz vor den eigentlichen Aktaufnahmen eignen sich in manchen Fällen ebenfalls prima zum „Aufwärmen“.

Empathie und Feingefühl
Sei einfühlsam und respektvoll, verstehe den Frauenkörper als etwas völlig Natürliches. Modelle sind auch nur Menschen; hin und wieder kann es etwas unangenehm sein, mit Komplimenten regelrecht überschüttet zu werden.

Nicht anfassen
Bei manchen Posen kann das Model sich nicht selbst eine störende Strähne von der Schulter tüdeln. Frage bitte vorher nach, ob du das kurz erledigen darfst.

Zwischenergebnisse zeigen
Zeige hin und wieder die Fotos auf der Kamera und frage das Model, ob sie sich mit den Bildern wohlfühlt. Vielleicht fällt ihr etwas auf, das sie ändern möchte.

Das Technik-Gesicht 
Versuche, unglückliche Formulierungen wie „nee, das sieht so nicht gut aus“ zu vermeiden. Dazu gehört auch das Technik-Gesicht, das in Form eines kopfschüttelnden Fotografen oder einer „Gefällt mir gar nicht“-Feststellung auftreten kann. Solche Aussagen und Mimiken können schnell zur Verunsicherung führen und im schlimmsten Fall zweifelt das Model an sich selbst.

… für beide gilt:

Ziele setzen und offen kommunizieren
Sprecht ab, was ihr umsetzen wollt und wo eure jeweiligen Grenzen liegen, damit es später nicht zu unangenehmen Überraschungen kommt.

Ich bin Aktmodell

(c) 2016 Simon Rüthschilling

Nackte Frauen fotografieren kann doch jeder, oder?

Du merkst sicher, dass viele Punkte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sind. Doch manchmal obliegt bei Aktaufnahmen auch die Unsicherheit oder Nervosität, sodass man etwas aus den Augen verlieren kann und sich dadurch in seiner Kreativität einschränken lässt. Und vielleicht bringen dich meine (gar nicht so wilden) Erfahrungen mit Aktaufnahmen diesem Bereich etwas näher. Irgendwann sind sie vielleicht sogar nur „besondere Routine“. Nackte Frauen fotografieren kann schließlich jeder. Ästhetische Bildwelten von unbekleideten Menschen mit ihren besonderen Facetten erschaffen, eher nicht.

Bist du auf der Suche nach Inspiration?

Dann kann ich dir noch folgende Fotografinnen und Fotografen ans Herz legen:

Kim Höhnle

Simon Kubald

Martin Neuhof

Mateusz Hajman

Peter Lindbergh

Ronan Budec Vielleicht fallen dir noch KünstlerInnen oder sogar Tipps ein, die man unbedingt kennen sollte? Dann freue ich mich über deinen Kommentar.

Hier findest du weitere Bildstrecken und Erfahrungen zum Thema Akt:

Lichterglanz & Schattentänze

Waldgeflüster

Ohne Titel | Astrid Schulz

Das Zimmer

Lisa at Home & Das Trägerkleid

Ich bin Aktmodell

(c) 2016 Jan Nietzsche

Ich bin Aktmodell

(c) 2017 Astrid Schulz

Beitragsbild: Schallkoerper Fotografie

*Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass es hier um meine Erfahrungen und Eindrücke als Aktmodell geht. Für Kundinnen oder Kunden gelten natürlich ein paar andere Voraussetzungen, da sie meistens keine Routine oder Erfahrung vor der Kamera haben müssen.